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23. November 2008 7 23 /11 /November /2008 14:45

durch „Das Große Glass“ Duchamps betrachtet.

 

Das Große Glas Duchamps („Die Braut von ihren Junggesellen entblößt, sogar“ ....), das 1923 endgültig unvollendet ausgestellt wurde, stellt den künstlerisch realisierten Anspruch Duchamps an jede moderne Bildende Kunst dar.

Duchamp lehnt  die „Netzhautmalerei“ ab, das heißt die Objektproduktion der Maler für den „geschmäcklerischen“ Genuss.

Welche philosophischen Fragen stellen sich nun die postmodernen chinesischen Künstler? Genügt es ihnen  die Nachahmung der westlichen Kunst zum Maßstab zu nehmen bzw. deren Distanzierung oder Übersteigerung?

Ist die historische Referenz schon ausreichend, um an die europäische Kunsttradition anzuknüpfen, bzw. ins Welt-Kunstsystem einzudringen ?

Gibt es so etwas wie eine Wahrheitssuche der Form, den Anspruch auf das Wesen des Werkes, welches sich nicht unmittelbar erschließt oder ist jedes Werk lediglich eine dekorative Erscheinung, Dekor des wachsenden Reichtums, ohne tiefere Bedeutung, da nur existierender Schein? Ist der Schein das Wahre der postmodernen Kunst, gibt es kein Wesen dahinter?

 

Wang Wen Sheng (VRC) lost water, 2007, 90 x 110 oil carnavas

 

Sind das Fragen, welche in der Lebens- und Ideologiewelt Asiens für deren Künstler stellbar sind? Können asiatische Künstler an die Kunsttraditionen Europas sinnvoll ohne zusätzliche koloniale Unterwerfungsattitüde anknüpfen ?

Duchamp sah die künstlerische Realisierung von neuen Ideen  als einzig innovative Methodik. Warum dieser erkenntnisorientierte Kunstanspruch, war er gegen die Konsumitis, den Pomp der Jahrhundertwende (Zeit der kaiserlichen Umzüge/ Mackart) gerichtet, gegen die Dekadenz (Schönheit des plain air, des Impressionismus)?

Duchamp kann man als kleinbürgerlichen, daher rebellischen organischen Intellektuellen der neuen Schicht der Intelligenz des erstarkten aufgeklärten Bürgertums sehen, welches begeistert von den neuen Erkenntnissen der Naturwissenschaften, aber gebrochen durch die Epoche der Dekadenz und Kriege ist.

Duchamps Werk/Artikulation ist die zynische Kritik der Malerei von der Renaissance bis heute, als Malerei, welche den sinnlichen Genuss und dessen Produktion über die „Farbtube“ seiner Meinung nach zum Ziel hatte.

Was gilt nun in China der Postmoderne?

Verstehen sich postmoderne chinesische Künstler als neue Picassos?

Während also Picasso und andere Maler der Moderne am Simulacrum, dem Kunstwerk , arbeiteten, welches als Erlebnismaschine der Sinnesvorstellungen der Betrachter  funktioniert – produzierte und verweigerte Duchamp diese Kunst, welchen den Betrachter nötigt selbst zum  reproduzierender Künstler zu werden.

 

Mit der Entwicklung der kapitalistischen Gesellschaft und dem beschleunigt erfolgtem Umbau der bisherigen Sozialitäten, deren subjektiven Elementen/Motoren und Energien, wurde ein doppelter Vorwurf in  den Kunsttheorien des Westens artikuliert:

            Gegenwärtige Kunst sei dem hedonistischen Geschmacke verfallen

            Gegenwärtige Kunst verwirkliche keine Erkenntnis, das sei das Ende der Kunst

 

Duchamp und auch alle anderen bildenden Künstler erzeugen mit ihrem Werk - welche Motivationen und Absichten sie auch immer zu verfolgen meinen – eine Wahrnehmungs-/Erkenntnismaschine, welche mit der aktiven/reflektierten oder „passiv“/genießenden Haltung der Kunstkonsumenten eine virtuelle Erlebnisrealität im Subjekt schafft.

Die ideologischen Konzepte, welche sich die Künstler und deren Interpreten bilden sind – eingebettet in das jeweils dynamisch sich entwickelnde Ideologiesystem unserer Gesellschaft – als marktwirksames Differenzierungspotential wirksam. Insbesondere sind Interpretationssysteme von besonderer Bedeutung, wenn sie weit verbreitet und quasi hermetisch gegen andere Konzepte wirken.

Sex und Erotik als Benzin der Kunstmaschine im Großen Glas, mit Klossowski im Aufsatz „Lebendige Münze“ wirken nach dieser Auffassung als Kapital (gesellschaftl. Automat) der Emotionen, welche der Kunst die Energie liefert und sie über das arbeitende Subjekt in die Ökonomie speist. Dagegen wurde bis zur Bildverweigerung in der Form der reinen Materialität die Abstraktion gesetzt.

In den Gesellschaften, welche in ihrer Kultur und Kunst die Adaption an das kapitalistische System weit genug vollzogen haben, wirken nicht mehr die stabilisierenden historischen Traditionen der Kunst, welche das kontemplative Ideal der herrschenden Ideologie subjektiv realisieren ließen.

Bildelemente, Bildkomposition und Text, damit  Bedeutungen, beliebig tiefe Konnotationen werden als uneigentliches Ergebnis des Kunsterlebnisses gesehen. Alles erscheint oder Nichts.

 

Wang Zheng, VRC, O.T., 2008 110x90 cm, mixed media

Alles ist heute gegen Duchamp gerichtet, Duchamp übertraf seine Ambivalenz des Großen Glases mit seiner Assemblage „Gegeben sei...“ insoweit er damit eine „Maschine“ produzierte, welche einerseits die virtuelle Realität der heutigen Cyberkunst  mit ihrer Quasiprozessualität vorwegnahm, andererseits zu Interpretationen Anlass gibt, welche die Rücknahme des Simulacrums in die Ideenwelt der Philosophie nahe legten. Das war jedenfalls nicht postmodern, damit nicht für die Gegenwartskunst Chinas gültig.....

 

Nach dem zweiten Weltkriege hat das kapitalistische System, welches schmerzhaft seine eigene historische gesellschaftliche Basis in grausamen Krisen  umbaute und nach den Beschleunigungen und Verzögerungen durch die beiden Weltkriege in den Siebzigerjahren die materielle Produktion zur Massenproduktion entwickelte und die geistige Produktion als eigenständige Produktionssphäre etablieren konnte auch die Sphäre der Kunst zu einer eigenständigen, höchstprofitablen Produktionssparte der Geistigen Produktion  entwickelt  und mit eigenständigen industriellen Produktions-, Distributions- und den entsprechenden Konsumationsinstrumenten etabliert.

Damit wird auch die Kunst im Sinne eines gesellschaftlichen Automaten selbstreferentiell in dem Sinne, dass immanente Standards, innerkünstlerische Expertenurteile instutionalisiert und über die großen industriellen Aufkäufergruppen  (Christies, Sotherbyies, Guggenheimmuseums...) globalisiert werden. Die Kunst stellt somit Stoff, Methode und Expertenpublikum im Bereiche der Innovations- /Marktspitzenproduktion. Kunst wird zum Distinktionsmedium der „zugelassenen“ Personengruppen, Kapitalien und Institutionen im Kampf um das profitable IMAGE.

Der menschliche Kunstsinn (die durch die Kunstprodukte/-prozesse angesprochenen und entwickelten Sinne) wurde quantitativ und qualitativ durch die gigantische Ausweitung des Kunstmarktes entwickelt, die Kunstindustrie stellt das aufgeschlagene Buch der menschlichen Sinnlichkeit dar (ob es uns passt oder nicht!) – sie ist das „Lustbenzin“ der Braut im Großen Glas.

Seit Torquille wird in den ideologischen Auseinandersetzungen der Versuch unternommen, die demokratische Entwicklung und die politische Herrschaft in strukturell (-fatalistischer ) Manier derart zu artikulieren, dass die politische/kulturellen Entwicklungen der Neuzeit als negative Entwicklungen reflektiert  und reaktionäre Schlüsse gezogen werden. Z.B.: zurück zu elitären politischen Strukturen, gegen demokratische Massenbewegungen und Massenkultur, Begründung der Sozialität durch das unartikulierbare Erbe der Volksgemeinschaft,  Artikulation der Individualität gegen die Masse als „eigentliches Selbst“ in der „jemeinigen Besonderheit“ (Heidegger).

Dagegen entwickelte schon K. Marx  die Auffassung, daß erst wenn das soziale Wesen des Menschen unmittelbar produktiv gemacht werden kann, das heißt Gesellschaft und Individuen derart umgebaut sind, daß sie Sozialität des Menschen zur produktiven Wirksamkeit kommen kann,  das Kapital sein universelles Wesen entfalten kann, -wir sind weit fortgeschritten. In der ökonomischen Realität begann diese Epoche mit dem Postfordismus. Die Entfaltung des menschlichen Selbst in seiner sozial/technischen Einbettung als neuer Faktor der Produktions- und Verwertungsdynamik.

In der chinesischen Kunst, insbesondere in der Malerei, ist die genannte Selbstreferentialität und strukturelle (-fatalistische) Systemsicht der Welt im Sinne der Postmoderne verwirklicht. Bild-Elemente, Techniken, Motive, Kompositionen .. sind vorhandene Elemente einer Malerei, welche mit standardisierten ideologischen Bedeutungen versehen sind, das ist typisch für eine Gesellschaftsformation, welche in ihrer Modernisierung kein Halten kennt.

Nicht die kritische Reflexion der Verhältnisse der Herrschenden, die aufrüttelnde (politische) Anklage mit ihren Bezügen zur Realität (dem Außen) sind der Gegenstand der Kunst. (dies war übrigens nur sehr kurz in der Geschichte der bildenden Kunst der Fall! (Vielleicht am Beginn der Renaissance: 1450-1480, während der wenigen Jahre der franz. Revolution und während der Epoche der politischen Klassenauseinandersetzungen in Europa: 1910-1990). Seitdem ist die Malerei wieder zur Genussmalerei der Herrschenden geworden, deren Stolz im Eigentum der Werke, deren Präsentation in Museen und Ausstellungen jeder Art… und dem Konkurrenzkampf in allen Dimensionen mit allen Mitteln.

Gibt es derzeit eine Kunst der subalternen Klassen ?

Erinnerungs-, Gedächtniskunst ?

 

 

Wu Jan Wei, VRC, series of fantasy, 2007, 1/20, 70x70 cm, foto

Die Globalisierung des kapitalistischen Systems stellt die Frage nach derWeltkunst im Weltsystem. Die Chinesische Malerei ist am besten Wege dazu.

 

 

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